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Unbekannter Knabe

Portrait-Restaurierung "Unbekannter Knabe"


Ein Knabenbildnis von Alexander Sanders in der Hilke und Fritz Wolff-Stiftung

Die Hilke und Fritz Wolff-Stiftung bewahrt das ganzfigurige Bildnis eines Jungen, der sich in einem der Antike entlehntem Kostüm präsentiert und dabei eine elegante, selbstbewusste Pose einnimmt. Sein Gesicht rahmt schulterlanges lockiges Haar. Seinen Blick richtet er mit einem etwas aus der Frontalansicht gedrehten Gesicht aufmerksam zum Betrachter. Links ist ein die Tracht ergänzender Helm mit Straußenfedern zu sehen, rechts der Ausschnitt einer abendlichen Landschaft.

Nachdem das Gemälde, ausgeführt in Öl auf Leinwand, 2007 restauriert wurde, ist zu sehen, dass die Komposition wohl überlegt und malerisch sorgfältig durchgearbeitet wurde, auch wenn die oberen Malschichten nicht durchgängig erhalten sind. Auf dem Gemälde war keine Signatur zu entdecken, wobei offen bleiben muss, ob es schon immer unsigniert war oder die Signatur durch spätere Beeinträchtigungen der Maloberfläche verloren ging.

Aufgrund der Wahl des Porträttypus‘, des Kostüms und der Art und Weise seiner malerischen Ausführung ist der Entstehungszeitraum des Bildnisses auf das dritte Viertel des 17. Jahrhunderts einzugrenzen. Vorbildgebend war zu dieser Zeit in Norddeutschland und speziell in Ostfriesland die nordniederländische Porträtkunst. Ein dort und damals in vornehmen Kreisen beliebtes Darstellungsschema war das sogenannte portrait historié, das Erwachsene wie Kinder in einem historisierenden, meist einem römisch anmutenden Kostümpräsentiert. Jungen und Männer wurden vorzugsweise als römische Krieger, Mädchen und Frauen gern als die keusche Jagdgöttin Diana gemalt.

Schaut man sich die Malweise des Bildnisses in Leer genauer an, also die plastische Modellierung des Gesichts, die Wiedergabe der weich fallenden Haare, die Faltengebung der Stoffe, die Modellierung des Brustharnischs und des Helms mit den Federn, die Körperhaltung usw., dann sieht man so viele Übereinstimmungen mit Porträts von Alexander Sanders, dass man ihm auch dieses Knabenbildnis zuschreiben muss.

Von Sanders kennt man ein weiteres, im Typus, in der Ausführung der Figuren sowie in vielen malerischen Details unmittelbar vergleichbares Kinderbildnis, das sich heute in der Ostfriesischen Landschaft in Aurich befindet. Es ist unten links A. Sanders fec. / 1672 bezeichnet und zeigt ein Mädchen in der Rolle der Diana und einen Jungen in einem antikisierten Kostüm vor einer abendlichen Landschaftskulisse. Das Bildnis in der Hilke und Fritz Wolff-Stiftung dürfte vom selben Maler um die gleiche Zeit geschaffen worden sein.
Wer dargestellt ist, weiß man bislang in beiden Fällen nicht, da sich die Geschichte dieser Porträts nicht weit vor 1900 zurückverfolgen lässt. Man kann bislang nur so viel sagen: Bildnisse, schon gar in ganzer Figur, waren eine kostspielige und auf Repräsentation bedachte Angelegenheit, die sich nur wohlhabende Kreise leisteten. Das konnten einerseits adlige Häuser sein, andererseits reiche bürgerliche Familien, die in dieser Zeit vielfach darauf bedacht waren, sich in gleicher Weise malen zu lassen und die Standesunterschiede zumindest in ihren Porträts zu verwischen.

Von Alexander Sanders ist bislang nicht sehr viel bekannt. Sein Geburtsdatum und der Geburtsort sind unklar, dürften aber um 1624 in oder bei Emden zu suchen sein. 1638 wird er Lehrling bei dem Maler Andres Andriesen in Emden. Nimmt man eine 5jährige Ausbildungszeit an, dann war Sanders ungefähr 19 Jahre alt, als er 1643 die Werkstatt verließ. Wie man es von anderen Malern seiner Zeit weiß und aus seinem späteren Schaffen erkennt, wird er nach der Lehre geraume Zeit in den nördlichen Niederlanden verbracht haben. Spätestens 1655 ist er zurück in Emden, wo er am 28. August als Meister in das Zunftbuch der Maler und Glaser eingetragen wird. Ab 1671 zeichnet sich sein gesellschaftlicher Aufstieg in Emden ab. Er wird Mitglied der Emder Bürgerwehr, wo er schließlich 1678 das Amt des Bürgerhauptmannsausfüllt. 1679 ist er Diakon in der Diakonie der Haussitzenden Armen, 1681/1682 deren Hauptdiakon. 1683 wird Alexanders Sanders als einer von wenigen Künstlern überhaupt Mitglied der Vierziger, also einer der 40 Vertreter des Bürgerschaftsgremiums in Emden. Am 15. November 1684 stirbt Alexander Sanders.

Alle Porträts, die man bislang von Sanders kennt, präsentieren die Dargestellten gemäß der zu dieser Zeit in den Niederlanden angesagten Porträtstile. Offenkundig wollte man sich in Ostfriesland genauso porträtiert wissen, wie man es von seinen niederländischen Verwandten, Geschäftsfreunden und politischen Verhandlungspartnern kannte. Sanders schuf repräsentative Brustbilder in engem Ausschnitt, Kniestücke, ganzfigurige Kinderbildnisse in der Natur und Gruppenbildnisse, die in niederländischer Tradition die Regenten bzw. Regentinnen von Emder Wohltätigkeitseinrichtungen zeigen (diese heute: Ostfriesisches Landesmuseum Emden und Johannes a Lasco Bibliothek Emden). Mehr als 30 Werke, die, sofern datiert, zwischen 1658 und 1673 entstanden, konnten von Annette Kanzenbach für einen Vortrag im Oktober 2017 im Rahmen des Gerson Research Projects in Den Haag/Amsterdam zusammengetragen werden. Das Kinderbildnis Hilke und Fritz Wolff-Stiftung ist eines der dort von ihr vorgestellten Porträts.

Dr. Annette Kanzenbach
KunsthistorikerinOstfriesisches Landesmuseum Emden
November 2017

Ausführung der Restaurierung durch Fr. Ludmila Mitro- Henseler, Dipl.-Restauratorin .


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